Der britische Ökonom Tim Jackson befasste sich um 2010 im Buch "Wohlstand ohne Wachstum" mit der Fähigkeit zu Gedeihen.
Die Fähigkeit zum Gedeihen muss gefördert werden.
Es geht im Buch um
Impuls von Matthias Böhringer: Wohlstand kann und muss längst nicht mehr über Wachstum definiert werden. Realistisch wachsen viele Betriebe ja auch gar nicht. Exorbitant meinen diejenigen Wachsen zu müssen, die Verpflichtungen gegenüber Banken und Aktionären haben und deren Teilhaber Profite rausholen wollen . Ökonom Harald Welzer vertritt die die These (6/2023), dass wir nicht auf das Ende des Kapitalismus warten müssen, um uns vom Wachstumszwang zu lösen. Er sagt "Mir ist nicht einsehbar, warum eine hochbezahlte Wissenschaft wie die Ökonomie nicht mehr zusammenbringt als eine Kapitalismustheorie, die besagt dass der Kapitalismus funktioniert wie ein Fahrrad: Sobald man aufhört zu treten kippt das Ding um... Im Grund handelt es sich um eine Glaubensfrage. Ich kann den Glaubenssatz aufstellen, all das geht nur mit Wachstum. Aber Historisch ging es auch anders...
Das Wachstumskonzept ist historisch ein Produkt des kalten Kriegs, ging aus der Systemkonkurrenz hervor...(Der Freitag Nr 43 2021)" . Wenn
wir dem Planeten eine Chance geben wollen, muss es ohne Wachstum gehen, ansonsten geht der Exktraktivismus und Klimaschaden weiter. Szenarien hat z.b. Tim Jackson aufgezeigt.
Und auch das Wachstum der Handwerksbetriebe ist endlich, spätestens dann wenn einer alle anderen gefressen hat. Wie bei Bäckereien, die von Filialketten verdrängt werden oder Metzgereien,
Drogerien, Gemüssehändler die von Handelsriesen verdrängt werden ist es aber volkswirtschaftlich und die Zahl der Kaufhandlungen betreffend ein Nullsummenspiel oder gar schädlich , wenn wenige
immer mehr Wachstum haben.
Es geht doch letztlich um Gutes Leben. Gutes Leben ist ein relativer Begriff und ist abhängig von der Gemeinschaft in die man hineingeboren wird. In der
kapitalistischen Wachstumsgesellschaft besteht erheblicher Korrekturbedarf. Die Spreizung der ungleichen Gesellschaft erhöht das Statusdenken. In Baden-Württemberg wird an Neckar und Rhein
ganz besonders die Erfüllung von Wohlstand erst mit wirtschaftlicher Expansion und Wachstum eingeimpft. Dabei geht es um die Fähigkeit zu Gedeihen im Dorf, der Stadt, im Umfeld der
Kulturlandschaft in Koexistenz mit Naturräumen.
Welche Vorstellung von gutem Leben - das Buena Vida - eine Gemeinschaft in Kolumbien hat, zeigt der gleichnamige Film. Ihr gutes Leben wurde für das Wachstum von
Ländern wie Deutschland vernichtet. Film La buena vida - Das gute Leben
Im Folgenden eine Auseinandersetzung mit dem Buch im Kontext zu Wachstumspolitik 2013 der G20 und Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie der Enquete Kommission
des Deutschen Bundestags "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität". Text und Buch von 2013 haben immer noch (in 2024) Aktualität. Denn nichts hat sich an der Dominanz des Wachstumswahns
geändert.
Dieser Text setzt dem gepredigten Mantra Wachstum und speziell dem Wirtschaftswachstum einen neuen Weg zum Wohlstand entgegen. "Die Fähigkeit zu gedeihen" muss gefördert werden, um dauerhaften Wohlstand zu erreichen. Wird der Mensch befähigt zu gedeihen, ist das Umfeld geeignet zu gedeihen, trägt dies zum Wohlsein des Menschen bei. Dazu braucht es einen gesunden Lebensraum, eine gleiche Gesellschaft, auskömmliche Arbeit, weniger Materialismus, weniger Statuswettbewerb, Teilnahme am öffentlichen Leben und eine von der öffentlichen Hand wahrgenommene Daseinsvorsorge.
"Wohlstand ohne Wachstum" ist die Konsequenz des britischen Ökonomen Tim Jackson bei Betrachtung der Entwicklung, die das ewige Wachstum verantwortet. Im gleichnamigen Buch kommt er zur genannten "Fähigkeit zu gedeihen". Dieses Buch sollte von den Regierenden dieser Welt als Vorlage ihrer Arbeit eingesetzt werden.
Die Staats- und Regierungschefs der G20 kamen am 5./6. September zum Gipfel 2013 in St. Petersburg zusammen. Im Schatten der Syrien-Krise sprachen sie sich erneut für Wachstum aus. Wachstum gilt in diesem Kreis derart als Allheilmittel gegen Arbeitslosigkeit und für Wohlstand, dass die Gipfelteilnehmer mit Angela Merkel vorneweg das 2009 in Pittsburgh verabschiedete Rahmenwerk für ein starkes, nachhaltiges und ausgewogenes Wachstum mit weiterem Maßnahmen unterstrichen ("Framework for Strong, Sustainable and Balanced Growth", 2009). Neben dem sicher im Ansatz nicht schlechtem Gedanken zur Konsolidierung der Haushalte stehen übliche marktkonforme Forderungen wie Liberalisierung und mehr Wettbewerb auf der Agenda. Ansätze zum Gedeihen ohne Wachstum kommen erst gar nicht auf die Tagesordnung.
Die Staats- und Regierungschefs der G20 mögen bekennen, dass Wirtschaftswachstum nicht mehr zielführend für Wohlstand ist, sondern Wohlstand über die Fähigkeit zu gedeihen erreicht wird.
Angela
Merkel bleibt weiterhin Bundeskanzlerin. Die SPD folgte dem medialen Ruf, "vernünftig" zu sein und mit
der CDU gemeinsame Sache zu machen. In der Postdemokratie gilt als vernünftig, was der Wirtschaft dient. Als industrienahe Partei steht die SPD dem merkelschen Wort "Wachstum" am wenigsten im
Weg. Die Fähigkeit zu Gedeihen droht weiter unter die Räder einer starrsinnigen wirtschaftsfreundlichen Politik zu geraten.
Die neu gewählte Bundeskanzlerin wird beauftragt, auf die Staats- und Regierungschefs der G20 entsprechend
dieser Petition einzuwirken. Das "Framework for Growth" hat in den Hintergrund zu treten.
Wird das Wachstum auch nur ein wenig bedroht, schlägt die Wirtschaft um sich. Mensch und Natur müssen dabei in Deckung gehen. Das Wachstum ist heute die Geißel der sogenannten hochentwickelten, materiell reichen Staaten. Das Wachstum provoziert überdrehte und ausgebeutete Gesellschaften. Auf den Arbeitenden liegt die Last der Anforderung ewigen Wachstums. Das Lebensumfeld wird konsumorientiert und marktkonform manipuliert. Weltweit werden gesunde Lebensräume vernichtet. Es bleibt ein unerfüllbarer Traum, den Ressourcenverbrauch an Land und Rohstoffen vom Wachstum zu entkoppeln. Zur Loslösung vom Wachstum braucht es eine starke staatliche Führung und gemeinsame grundlegende strukturelle Veränderungen. Für dauerhaften Wohlstand muss man den Menschen die Fähigkeit geben, innerhalb von Grenzen zu gedeihen.
Wohlstand ohne Wachstum ist eine menschliche, ökologische wie finanzpolitische Notwendigkeit!
In der 17. Legislaturperiode 2009 - 2013 arbeitete die Enquete Kommission des Deutschen Bundestags „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ seit 2010 an neuen Indikatoren zur Messung von Wohlstand. Das BIP als alleiniger Indikator hat sich als ungenügend erwiesen. Andere Werte, wie Gesundheit, Bildung und Umwelt sollen zählen. Die Bundesrepublik Deutschland ist damit auf einem guten Wege zur Änderung des Maßstabs für Wohlstand. Zum Abschluss in 2013 ist die Enquete-Kommission jedoch zu einem komplexen Armaturenbrett zum Ausdruck von Wohlstand gekommen, die Statements der politischen Lager zeigen Uneinigkeit in der Interpretation der Ergebnisse.
Unbeirrt wird weiter am Wachstum festgehalten, ganz gleich ob die Vermehrung von BIP, Macht, Prestige oder universitären Abschlüssen verfolgt wird. Der Nutzen des Wachstums verschiedener Größen für den Wohlstand ist bei Betrachtung von Lebenswirklichkeiten in der Bandbreite zwischen ausgeglichenen Naturvölkern, deutschen Niedriglöhnern und karrieregetriebenen Betriebswirtschaftlern relativierbar.
Tim Jackson hat mit seinem Buch „Wohlstand ohne Wachstum“ die „Fähigkeit zu Gedeihen“ als Maßstab für Wohlstand als dringende Anpassung an eine endliche Welt ins Feld geführt. Die Bundesregierung muss diese Botschaft zu den folgenden G20-Treffen mitnehmen, wo dann dem Wachstum abgeschworen und das Bekenntnis verabschiedet werden soll, den Menschen ein zufriedenes Gedeihen in Grenzen zu ermöglichen.
Zwischen 2008 bis 2010 musste der Verfasser erleben, wie auf Feldern vor seiner Heimatstadt Karlsruhe einer Fleischfabrik politisch und behördlich der Weg bereitet wurde. Mit dem Bau wurde ein Wachstumswunsch als öffentliches Interesse durchgesetzt. Ein Paradox angesichts der Tatsache, dass es immer noch auch inhabergeführte Metzgereien gibt, die mit ihren in den Ortschaften integrierten Betrieben nicht wachsen und trotzdem existieren können, sofern die Kundschaft nicht zu den Einkaufsmärkten an den neuen Ortseingängen abwandert.
Die Raumplanung ist zu einem Wettbewerbsinstrument verkommen. Angeblich natürlichen Zwängen folgend werden solche Projekte durchgesetzt. Bei Verfolgung des Rechtswegs mit Einwänden, erhält man den Bescheid „Der Stellungnahme wird nicht gefolgt“. Appelle an die kommunalen und staatlichen Politiker und Entscheidungsträger verhallen ohne Kurswechsel. Auf die Zwänge wird verwiesen.
Man muss also wohl ganz oben ansetzen, die Staats- und Regierungschefs müssen sich verabreden, es braucht gesellschaftlichen, ökonomischen und akademischen Wandel und einen großen Willen zu Änderung am Wachstum.
Weltweit regt sich Widerstand gegen herrschende Prinzipien. Dieser äußert sich z. B. in Treffen wie das 3. Europäische Forum gegen unnütze und aufgezwungene Großprojekte, das vom 25.-29. Juli in Stuttgart stattfand.
Wird das Wachstum auch nur ein wenig bedroht, schlägt die Wirtschaft um sich. Mensch und Natur müssen dabei in Deckung gehen. Das Wachstum ist heute die Geißel der sogenannten hochentwickelten, materiell reichen Staaten.
Deutschland hat für die Raumplanung ein ausgefeiltes Regelwerk mit allerlei Gesetzen und Bauordnungen. Grundsätzlich ist eine Abwägung der Belange vorgesehen. Der Entscheid über die Priorität ökonomischer und ökologischer Fragen geschieht jedoch sehr einseitig. Im sogenannten „öffentlichen Interesse“ werden die Einwendungen der Bürger niedergebügelt. Das „ob“ eines Vorhabens steht nie zur Debatte. Es wird allenfalls um einen Kompromiss gestritten. Bei solchen Kompromissen geht der Vorhabenträger regelmäßig als Gewinner hervor. Natur und Mensch bleiben immer als Verlierer zurück, da sie nur geben können. Das ist auch dann der Fall, wenn vom zunächst hoch gepokerten hohen Tribut die Hälfte des Landverbrauchs und der Belastung zusammen gestrichen werden. Durch rechnerisch kluge Verfahren und Unterlassungen sind versprochene Ausgleichsmaßnahmen eine Farce.
Mit vorhabenbezogenen Bebauungsplänen, Zielabweichungen in Flächennutzungsplänen oder Missachtung von Landschaftsplänen werden privatwirtschaftliche Interessen durchgesetzt. Von den Festsetzungen für schutzbedürftige Bereiche wird abgewichen, wertvolle landwirtschaftlich genutzte Flächen werden umgewidmet, Grünzäsuren werden aufgehoben. Das privatwirtschaftliche Interesse wird zum öffentlichen Interesse erhoben, auf das Wohlstand durch Wachstum komme.
Wachstum dient als Allzweckwaffe gegen Lasten, die auf die deutschen Städte und Dörfer durch soziale Ungleichheiten, gesellschaftliche Aufgaben und globale Krisen hereinbrechen, statt Lösungen auf überkommunaler, staatlicher oder globaler Ebene zu suchen. Der staatlich verordnete Wille für Wachstum äußert sich auf kommunaler Ebene ohne unreflektiertem Nachdenken über Nachhaltigkeit, Nützlichkeit und volkswirtschaftliche Vorteile.
Gegenseitig puschen die Kommunen einen Wettbewerb hoch, der sie unternehmerisch auftreten lässt. Der Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit wird in Leitlinien manifestiert, von der Verwaltung und anderen Schlüsselpositionen der Stadt hegemonial vertreten und verbreitet. Der politisch-ideologische Wille für mehr Wettbewerb und Wachstum wird als reale Notwendigkeit propagiert. Alles und jedes muss sich dem Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit unterwerfen. Der Erfolg wird mit Wachstum von Arbeitsplätzen, Einwohnern, Gewerbesteuer, Kaufkraft und Unternehmen verbucht. Ein damit verbundener Verlust von Arbeitsplätzen, Einwohnern, Gewerbesteuer, Kaufkraft und Unternehmen an anderen Orten, Marktkonzentration, Marktverdrängung, Flächenverbrauch, Verkehrszunahme, in der Vergangenheit bereits ausgewiesene Gewerbe- und Industrieflächen, Zwangsmobilität und schädlicher Strukturwandel werden nicht betrachtet.
Ohne Blick auf die Sorgen, die noch größere Städte haben, drehen die größer werden wollenden kleinere Städte am Teufelskreis, der durch Fluktuation, Veränderungen, wachsenden Haushalten und Erwartungen genährt wird.
Prominente Auswüchse dieses Wachstumsdrangs in Deutschland und Europa:
Die 2022 abgeschlossene 9. Elbvertiefung, 2013 noch in Planung. Die Fahrrinnentiefe soll von knapp 15 auf 17 Meter für noch größere Containerschiffe erhöht werden. Bereits damals war die Fahrrinne über 10 Meter tiefer als das ursprüngliche Flussbett. Die 9. Elbvertiefung würde durch die Gefährdung des Grundwassers im umgebenden Land durch Salzwasser die Zerstörung des Ökosystems bedeuten. Schon beim ersten Einspruch wird der Ruf laut „Oh je, Hamburg könnte den Titel des zweitwichtigsten Hafen in Europa verlieren“. Elbvertiefung wegen Titeljagd?
Beständig werden Deutschlands Flughäfen und insbesondere der Flughafen Frankfurt ausgebaut. Ganze Siedlungsgebiete werden durch Fluglärm unbewohnbar.
Landauf, landab werden zum aufsaugen von Kaufkraft aus anderen Gemeinden ECE-Shopping-Center in gewachsene Innenstädte gepflanzt und IKEA-Möbelmärkte in die Landschaft gesetzt.
Für den A380 erließ der Hamburger Senat im Jahre 2002 das "Lex Airbus", um die Gemeinnützigkeit der Airbus-Arbeitsplätze festzuschreiben. Für ein privatrechtliches Vorhaben wurde öffentlich-rechtlich legitimiert 170 ha des 675 Hektar großen Mühlenberger Lochs ab Mitte 2001 zugeschüttet. Das Mühlenberger Loch ist eine große Elbbucht südlich der weiten Elbe, die sich mit dem Alten Land und dem über 80 m steil aufragenden Stadtteil Blankenese zu einem Landschaftsensemble zusammenfügt. Es war das letzte große Flachwasser- und Süßwasserwattgebiet der Tideelbe. Die zahlreichen Prädikate schützten die Bucht nicht: Landschaftsschutzgebiet, EU-Vogelschutzgebiet und Natura-2000-Gebiet (FFH) nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie. Die EU-Umweltkommissarin Margot Wallström verweigerte zunächst eine Ausnahmegenehmigung für das Vorhaben in dem FFH-Gebiet, da die Voraussetzungen für einen rechtzeitigen und vollständigen Ausgleich des Eingriffs im Netz der europäischen Schutzgebiete nicht gegeben waren. Dann schrieb aber Kanzler Gerhard Schröder an den seinerzeitigen Kommissionspräsidenten Prodi. Und schwupp die wupps lag die Genehmigung auf dem Tisch.Um das Mühlenberger Loch wurde zum Vorteil von Airbus ein Politikskandal veranstaltet. Befangene Behörden spielten bei Antrag, Prüfung und Genehmigung einander zu. Mit Lügen und Propaganda wurde versucht, die Bevölkerung auf die Seite der Befürworter zu ziehen.
Die Planrechtfertigung ist verfallen, da die Endmontage nach Toulouse verlegt wurde. Nur die Fertigung von Sektionen, Innenausbau und Lackierung blieben in Hamburg-Finkenwerder (Mühlenberger Loch).
In 2021 wurde dann auch das komplette A380-Programm des doppeltöckingen Riesenjumbos eingestampft. Nach kurzem Vergnügen für den Größenwahn bleibt der Schaden für Natur und Landschaft. Die Natur sollte nun Regress von der Bundesregierung fordern.
Mehr dazu im Blogeintrag vom 7.4.2019 A380 eingestampft – Elbe bleibt beschädigt
Völlig unverblümt stellte die EU-Kommission am 6. Mai 2013 in ihrem Entwurf zur zentralen europäischen Saatgutverordnung klar, dass mit der Verordnung die europäischen Saatgutkonzerne in ihrer Position gegenüber Monsanto und DuPont gestärkt werden sollen. Saatgut, dessen Zulassung sich nur noch die großen Player leisten können und für die industrielle Verarbeitung geeignet ist, würde dann den Agrarkonzernen mehr Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit bescheren. Der Markt würde aufgeteilt werden in kleine Unternehmen, die der Landwirtschaft Saatgut allenfalls in kleinen Mengen bereitstellen dürfen und in die industrielle Unternehmen, die der Welt ihre beschränkte Sortenauswahl, da so produktiv in großem Stil bereitstellen dürfen. Die Folgen sind Marktkonzentration, Verlust von regionalen Produkten mit ihren Anpassungen und Traditionen, Verlust von Geschmack und Existenzbedrohung kleinerer Saatgutzüchter. Der ökologischen Landwirtschaft würde eine Grundlage genommen, die Küche wird normiert und eintönig. Die Bauern, die sich jetzt schon gegen Nachbaugebühren auflehnen, würde das uralte Prinzip vom ernten und wiederaussäen mit den Konzernhybriden ganz genommen.
Obwohl Fracking nur die Frist des auf fossilen Rohstoffen gestützten Wachstums verlängert, war man in Deutschland bereits dabei, für Versuchsbohrungen nach Schiefergas Chemiecocktails in die Erde zu spritzen. Claims für die Suche nach Erdgas in Schiefergestein wurde von Bergbaubehörden an US-Firmen vergeben. Nachdem das bekannt wurde, verhängte die Regierung von NRW ein Moratorium, dem sich weitere Bundesländer anschlossen. Seitdem kämpfen die Parteien um eine Regelung bzw gänzliches Verbot von Fracking im laschen deutschen Bergbaugesetz.
Bereits beim „kleineren“ Fracking nach „Tight-Gas“ aus weniger dichten Gesteinen wie Sandstein mit weniger Wassermengen und weniger/keinen chemischen Zusätzen werden Unmengen giftiger Abwässer zu erzeugt, wenn das in die Tiefen gepresste Lagerstättenwasser beim Wiederaufstieg gelöste Stoffe an die Oberfläche bringt. Aus Niedersachen wurden mehrere Fälle bekannt, wo es zu Austritten von Quecksilber und Kohlenwasserstoffen ins Erdreich kam. Wenn hier schon mit der sicheren Behandlung von Lagerstättenwasser gekämpft werden muss, wie schaut es dann beim Fracking mit noch größeren Wassermengen und höherem Chemikalieneinsatz aus?
Derweil fordert EU-Kommissar Oettinger eine Öffnung für Fracking in Deutschland, um „sich die Potenziale des Fracking nicht entgehen zu lassen“. Man solle die Debatte nicht so emotional führen und aufpassen, den Anschluss nicht zu verpassen. Für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit seien gewisse Risiken einzugehen. Ohne Risikoscheu sind dann „Wissenvorteile durch Probebohrungen zu erlangen“. Als letztes Argument wird für eine Zwangszulassung in den EU-Ländern natürlich noch die Senkung der Energiekosten durch die unkonventionelle Erdgasgewinnung obendrauf gesetzt. Für ein hohes ökologisches Risiko wird einmal mehr am Status quo festgehalten.
Abgeschirmt von der Öffentlichkeit laufen seit Juli diesen Jahres (2013) Verhandlungen zu einer Freihandelszone Europa – USA. Den Start gaben die Wirtschaftsminister der EU und US-Präsident Obama beim G8-Gipfel im Juni 2013. Die Vision des gemeinsamen Marktes heißt Transatlantien, Mittel sind die Abkommen TAFTA (Trans-Atlantic Free Trade Agreement) und TTIP (Trans-Atlantic Trade and Investment Partnership). Goldene Berge und Zeiten werden versprochen. Bei den Fürsprechern ganz vorne sind die alten Bekannten des deutschen Neoliberalismus Bertelsmann und Ifo-Institut, die natürlich mit positiven Studien für potentielle Arbeitsplätze aufwarten.
In Wirklichkeit geht es um die Reduktion von schützenden Standards für Arbeitnehmer, Umwelt, Soziales und Verbraucher. Wachstum und Wohlfahrt der Wirtschaft sollen einmal mehr vorangetrieben werden. Diese Religion von Merkel und Obama predigt weiter den unsäglichen Wettbewerb mit den Folgen der Marktverdrängung.
Die wieder gewählte Bundeskanzlerin Angela Merkel bleibt dem nationalen Diskurs schuldig. Zur Bundestagswahl sollte die Freihandelszone kein Thema sein. Dabei gibt es viel zu erörtern und wichtiges festzuhalten. Was schwappt aus Amerika nach Europa? Fallen die Schranken für Fracking? Was gelangt auf den Opfertisch der Verhandlungen oder wird gar bereitwillig von neoliberal gesinnten Unterhändlern hergegeben? Wird die Agenda 2010 als Blaupause auf Europa übertragen? Wird der Anbau und Verarbeitung von Lebensmitteln liberaler? Welche Großprojekte auf den Zuschnitt von Transatlantien werden auf die EU-Bürger zukommen?
Deutschland und Europa droht die Anarchie wirtschaftlichen Handelns. Mit dem Freihandelsabkommen TTIP würde ein Staatsstreich organisiert, bei dem Europa die Souveränität an die Wirtschaft abgibt. US-Produkte können dann mit niedrigen Verbraucherschutz- und Tierschutzstandards einbrechen und europäische Normen untergraben. Schiedsgerichte können parlamentarische Beschlüsse aushebeln, wenn ein ausländisches Unternehmen sich in seiner wirtschaftlichen Entfaltung beschränkt sieht. So könnte ein Anti-Fracking-Gesetz gekippt werden. Öffentliche und gemeinnützige Dienstleistungen sollen verstärkt der Privatisierung weichen.
Die große Koalition in Berlin will zwar diesen Ausverkauf der Rechte nicht, letztendlich sollen die 2014 zu führenden Verhandlungen zum Freihandelsabkommen aber zum Erfolg kommen. Ohnehin stehen im Koalitionsvertrag nur Interessenbekundungen unter Vorbehalt.
Mit aufgebauten Angstszenarien, Gemeinden könnten im Wettbewerb der Kommunen durch mangelnde Gewerbeflächen Gelegenheiten verpassen, werden beständig neue Gewerbegebiete längs der Autobahnen, in Flussniederungen und auf Ackerflächen angesiedelt. Für Mastfabriken, Fleischfabriken, Logistikzentren, Einkaufs- und Fachmärkte, Unternehmensverlagerungen und -erweiterungen wächst der Freiflächenverbrauch in Deutschland ungebremst (aktuell 74 Hektar pro Tag). Der Ausbau des Verkehrsnetzes und die Erschließung setzen die Zerschneidung und Zersiedlung der Landschaft fort. Dieser Ressourcenverbrauch spiegelt sich nicht in der deutschen Bevölkerungsentwicklung.
Die Zerstörung von Böden für die Siedlungsentwicklung und Straßenausbau widerspricht dem Ruf nach Flächen für Lebensmittel.
Aus der Ecke der Neoliberalen und Getreuen der industrialisierten Landwirtschaft wird die Lösung in der Steigerung der Flächeneffizienz und Produktivität mit immer mehr chemischen Hilfsmitteln gesehen. Diese Lösungsansätze helfen nicht, da sie
nicht der Bodenfruchtbarkeit dienen und das ökologische Gleichgewicht ins wanken bringen. Die von Chemiekonzernen wie BASF und Monsanto propagierte industrielle Landwirtschaft setzt zum Wohl dieser Firmen auf
teure und ungesunde Pestizide und chemische Dünger, die aber erhebliche sich erschöpfende Ressourcen benötigen und den Landwirten Kosten verursachen und sie in Abhängigkeit bringen. Subventionen und Freihandelsabkommen wie NAFTA sind
Gift für die regionale Landwirtschaft und führt zu brachliegenden Feldern und Arbeitslosigkeit im Land, z. B. in Mexiko und zu unökologischem auf Wachstum getrimmten Anbau im Ausland, z. B. in
den USA (Mais). Als in den USA die Herstellung von Bioethanol aus Mais lukrativ wurde, verteuerten sich die Maispreise in Mexiko. Die Aufgabe der Ernährungssouveränität führte 2007 zur
Tortilla-Krise. Ein weiteres Beispiel von Überschüttung armer Länder ist der Export von
Produktionsüberschüssen von Geflügelfleisch aus der EU nach Afrika und dem dortigen Niedergang der Kleinbauern. Es braucht mehr Ernährungssouveränität mit einer bäuerlichen Landwirtschaft denn
Ernährungssicherheit mit der Industrie. Eine Landwirtschaft bei der der Topf nicht größer wird, sondern ausgeschleckt wird, will meinen weniger weggeworfen wird und weniger unter der Hitze
tropischer Länder verdirbt. Vor allem in Ländern der dritten Welt braucht es weniger Abhängigkeit von
Saatgutherstellern und Chemiekonzernen. Dafür mehr ökologische Intensivierung mit Nutzung modernster wissenschaftlicher Erkenntnisse und Tradition.
Die jetzige Struktur der fossil-atomaren Energieversorgung passt nicht zum Energiewandel, weil andere Leute und weniger die Konzerne daran verdienen würden. Die Stromnetze sind anders, die Verkaufsstrukturen sind anders, die Kraftwerke sind kleiner, es fehlt völlig das kapitale Netz zur Förderung und Transport der Primärenergieträger Öl, Gas, Kohle und Uran. Weil eine vollständige Versorgung mit erneuerbaren Energien das Wegbrechen von Gewinnen einer etablierten Wirtschaft bedeuten würde, wird der Energiewandel ausgebremst. Oder er wird mit den gleichen zentralistischen Strukturen gemacht, siehe „Stromautobahnen“, Windparks in der Nordsee etc. Der Umstieg auf erneuerbare Energien erfordert aber dezentrale, kleinteiligere und regionale Strukturen weil die Primärenergie flächig verteilt geschöpft werden kann und muss.
Bei der Ankündigung von Großprojekten wie nationale Stromtrassen, Desertec und Hochseewindparks könnte ein kleines Kraftwerk von der Abwärme betrieben werden die entsteht, wenn sich die Metall-, Bau- und Elektroindustrie die Hände reiben. Die prickelnde Mischung aus Technikverliebtheit, großer Politstrategie, kühn wirkende Würfe von Think Tanks und grüner Konsenssehnsucht wirbelt Sand auf und verdeckt dabei das schnöde Wachstumsinteresse der Wirtschaft. Die politisch-raumplanerische Wegbereitung von Supergrids (kontinentalen Stromnetzen) und zentralen Sonnen- und Windkraftwerken sichert langfristig die Macht der Stromkonzerne, die ihrerseits aber mit Blick auf die Wertschöpfung der konventionellen Techniken das Tempo des Wechsels bestimmen.
Die bereits erreichten Zahlen des flächig verteilten Energiewandels in Bürgerhand sollten bei neutralem Kalkül die versprochenen Leistungen der teuren und langwierigen Großprojekte verblassen lassen. Während der von Kommunen, Genossenschaften, Bürgern und kleineren Unternehmen getragene Energiewandel die Chance für mehr demokratischen Konsens und Nachhaltigkeit öffnet, wird mit dem Festhalten an große Strukturen der alte Konflikt zwischen Wirtschaft, Umwelt und Mensch aufrechterhalten, wo Bürger gegen Stromtrassen kämpfen, Windparks im empfindlichen Ökosystem Nordsee errichtet werden und Land, und sei es „nur“ Wüste mit Solarkraftwerken überzogen wird. Die Kosten- und Materialaufwände für überregionale Stromtrassen, abgelegene Kraftwerke auf See und in Wüsten sind gegenüber kleiner dimensionierten regionalen Lösungen bei vergleichender Gesamtleistung nicht unerheblich. Bei Riffgat gründet jeder Rotor auf 70 m langen und 40 m tiefen Stahlfundamenten im Nordseegrund, Stromkabel werden mit schweren Maschinen durch das Watt gezogen.
Eine Konzentration auf die Zonen höchster Wind- und Sonnenenergie wie sie die Nordsee und der Klimaatlas von Desertec vorweisen, ist nicht nötig. Kleiner dimensionierte Anlagen können in bestehende Infrastrukturen besser eingefügt werden. Ihre dezentrale flächige Verteilung erübrigt die Forderung nach Stromautobahnen. Entsprechend dazu gibt der technologische Fortschritt auch für Energiespeicher- und Reserven die Möglichkeit, auf viele kleine Lösungen zu setzen, statt Berge für Pumpspeicher zu schleifen.
Die beste Strategie der Stromkonzerne für gute Rendite ist derzeit aber immer noch die Erzeugung von Strom mit althergebrachten Energieträgern. Dazu bedienen sie sich des Zertifikatehandels um z. B. in Deutschland Kohlekraftwerke bauen zu können. Der Handel mit CO2- Zertifikaten hat sich als Schmierenhandel entpuppt, der CO2- Einsparungen verbucht, die nur auf dem Papier existieren. Unterm Strich wird mehr in die Umwelt geblasen. Der Emissionshandel konserviert die Strukturen der fossilen Energieversorgung und setzt obendrein kriminelle Energien für Steuerhinterziehung und Mehrfachverkäufe frei. Die Staaten treten kraftlos auf. Weil die EU vor der Industrielobby in die Knie ging kam es zur Marktschwemme mit Zertifikaten. Diese wird auch mit Anstrengung der deutschen Regierung aufrechterhalten. Dadurch verfiel der Preis für eine Tonne Kohlendioxid weit unter die Schwelle für lohnende Investitionen in bessere Technik. Der Handel mit Luft ist wirkungslos.
Fracking, der Bau neuer Kohlekraftwerke und der Ruf nach Renaissance der Atomkraft zeigen wohin der Hase aus Sicht der Energiewirtschaft wirklich läuft.
Hermann Scheer (gest. 2010), u. a. Träger des Alternativen Nobelpreises hat in seinem Buch „Der energethische Imperativ“ (2012, im Kunstmann Verlag) eine ganzheitliche Analyse über Bremsen und Wege des Wechsels zu erneuerbaren Energien zusammengestellt. Dieser Abschnitt bezieht sich auf sein Plädoyer für einen vollständigen Wechsel zu erneuerbaren Energien mit dezentralen, klein dimensionierten, schnell zu realisierenden und von Bürgern, Genossenschaften und Kommunen getragenen Anlagen.
Wenn schon unter den restriktiven Regeln in Deutschland der Ressourcenverbrauch entsprechend der Nachfrage der Wirtschaft ist, wird deutlich, welche Gefahr für die Ökosysteme und Bevölkerungen in Ländern mit liberaleren und lascheren Gesetzen besteht. Natur und Mensch sind den „Märkten“ schutzlos ausgeliefert wie die Verunreinigungen durch Ölförderung in Regenwäldern, Wasserverschmutzung durch den Abbau von Ölsanden, Rodungen, hemmungsloser Bergbau, Wasserbauwerke und Fracking beweisen.
Das rumänische Bergdorf Rosia Montana ist ein Beispiel für das Auswringen der Natur für das letzte Klümpchen Gold mit dem üblichen Kauf von Stimmen durch Schaffung von Arbeitsplätzen. Ein kanadisches Bergbauunternehmen strebt dort seit Jahren den Abbau von Gold im ganz großen Stil an. Die großen Goldadern sind aber längst ausgebeutet. Übrig geblieben ist die Nadel im Heuhaufen. Winzige 1,5 Gramm pro Tonne Gestein. Wo die Römer noch mit herkömmlichen Techniken Naturschätze fanden, soll mit giftigem Zyanid das Gold aus dem Gestein gelöst werden. Wenn die Berge nach 16 Jahren Tagebau komplett abgebaut sind, soll die Berglandschaft wieder vollständig renaturiert und wiederhergestellt werden. Ein märchenhaftes Vorhaben. Übrig wird dann aber wohl noch das gefüllte Staubecken hinter einer 180 m hohen Mauer sein, das Schlacke aus Zyanidlauge und Gestein während des Abbaus aufnehmen soll. Was ist dann mit den Arbeitsplätzen, wenn der Bergbau nach 16 Jahren eingestellt wird? Eine neue Mine graben? Noch gibt es Hoffnungen, dass die Mine nicht kommt und die Region mit nachhaltiger Wirtschaftsweise durch Tourismus und Landwirtschaft eine Zukunft sieht.
Zu den ökologischen Einschnitten, die das auf Konsumismus ausgerichtete Wachstum bringt kommt noch die Beschneidung der Volkssouveränität durch die „Märkte“. Nichts darf sich dem totalitären Anspruch der „Märkte“ wachsen zu wollen widersetzen. Staaten die in der europäischen Union nicht entsprechend der Vorstellung der deutschen Regierung wachsen, werden abgestraft. Regulationsmöglichkeiten über eigene Währungen gibt es nicht. Unter Ausschaltung der Moral steuern die Regeln des totalitären Wirtschaftssystems darwinschen Gesetzen gleich Aufstieg und Untergang ganzer Länder und kultureller Strömungen. Der jüngste Angriff der Kapitalmärkte auf die Länder Südeuropas und die Gängelung seitens der Troika mit Sparpaketen und neoliberalen Eingriffen in den Arbeitsmarkt in Griechenland und Spanien schlagen ein weiteres Kapitel auf. Als Kennzeichen der totalitären Ideologie ist sich der Wachstumskapitalismus selbst genug. Er ist für sich schon die Verkörperung der Demokratie. Wie andere totalitäre Systeme gibt er sich nie mit dem Status quo zufrieden, findet nie seine Erfüllung und zwingt seine Individuen zur Expansion. Die Staaten der OECD haben sich über die Jahrzehnte in Abhängigkeit des Wachstums begeben, da es Verlangen nach Wohlstand befriedigen konnte. Es wurde zur Sucht. Der Abbau von Schranken für mehr Wettbewerb ist dem Kardinalfehler geschuldet, dass betriebswirtschaftliche Theorien auf die Volkswirtschaften übertragen wurden. Der beständig mit besonderer Beteiligung der deutschen Regierung zwischen den Staaten ausgetragene Wettkampf um Standortvorteile und Exportweltmeistertitel bleibt an den Arbeitnehmern durch gedrückte Gehälter kleben, und zwar auch in Nicht-Exportbranchen. In Deutschland machte dies die Deregelurierung des Arbeitsmarktes für die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik seit den 1980er Jahren und schließlich mit den Hartz-Gesetzen möglich. Während die Werte an den Börsen und Geschäftsbilanzen überragende Werte erreichen, bleibt das Glück der Bürger auf der Strecke. Diese BWL-Sicht auf die nationale Wirtschaft lähmt einen gesunden Binnenmarkt und hinterlässt langfristig keine Wettbewerbssieger.
Es ist ein Traum in Deutschland wie weltweit, den Ressourcenverbrauch an Land und Rohstoffen vom Wachstum zu entkoppeln. Dieser Traum bleibt ein Traum, solange die Volkswirtschaften Wachstum an materiellen Werten festmachen und den Konsum von immer neuen Gütern zu dessen Grundlage machen. In der heutigen Welt mit globalem Wahrenverkehr und verteilten Produktionsstandorten sind Abkommen wie das Kyotoprotokoll nur Papier. Statistiken über den Ressourcenverbrauch müssen die gesamten Produktionsketten betrachten. Effizienzsteigerungen in der Produktion werden vom Wachstum aufgefressen. Materialverbrauch, Metallförderung, CO2- Emissionen und andere Indikatoren des ökologischen Fußabdrucks zeigen unvermindert wachsende Kurven an. Reduktionsraten für stabile Verhältnisse, z. B. bei der Kohlendioxidemission hätten schon längst erreicht werden müssen. Die absolute Entkopplung rückt damit in weite Ferne. Selbst wenn ein Aufholen gelingen würde, bei stetig steigendem Wachstum hat die Entkopplung vom Ressourcenverbrauch ihre technischen Grenzen.
Das Wachstum hat das Finanzsystem aufgebläht. Der materielle Konsum, der das ganze Wachstum stützt ist schuldenfinanziert. Die Ermöglichung von Investitionen und Kauf von Gütern sind schuldenfinanziert. Den Unmengen an Kapital stehen ebenso viele Unmengen an Forderungen, also Schulden gegenüber. Das macht unsere Volkswirtschaften höchst labil.
Umgekehrt treiben die Banken mit hohen Erwartungen an Zinsen und Renditen bei vergebenen Krediten für Investitionen das Wachstum an.
Krampfhaft und ewig dürstend werden gleich einer Planwirtschaft steigende Rendite für das kommende Jahr ausgerufen. Rendite, die auf hohem Produktivitätsniveau mit Entlassungen, Verlagerung von Arbeitsplätzen und Produktionsstandorten, lockeren Umweltstandards, Einführung billigerer Beschäftigungsverhältnisse, weniger haltbaren Materialien, Sollbruchstellen in Produkten und Marktverdrängung erreicht werden. Die Doktrin an den Börsen lassen keine Durchschnittlichkeit zu. Wenn Unternehmensteile keine Hochleistungsrendite garantieren können, ist das schon unprofitabel. Abteilungsleiter und Manager werden angetrieben, Druck auf ihre Angestellten auszuüben, obwohl weniger Druck Kreativität und Innovationsgeist sprudeln lässt. Dabei sollten Rekordgewinne doch eigentlich für alle Beteiligten ein entspanntes Szenario garantieren. Doch der Wachstumszug fährt mit exponentieller Geschwindigkeit mit immer mehr erforderlicher Energie weiter.
Ewiges Wachstum ist nicht natürlich. Leben entsteht, wächst und vergeht. Berge erheben sich durch geologische Kräfte und erodieren. Insektenstaaten werden von einer Königin aufgebaut und gehen zum Winter wieder ein. Tierherden in Afrika gebären Junge in der Regenzeit und verdursten in der Trockenzeit.
Und der Mensch? Pest, Kriege und Umweltzerstörung dezimierten Völker in früheren Zeiten. Erste ökologische Erschöpfungen zeigen die Wälder Europas. In der Antike begann die Entwaldung des Mittelmeerraums und stachelige Macchie breitete sich aus. Glashütten und der florierende Holzhandel mit Holland führte um 1800 zur großflächigen Entwaldung des Schwarzwaldes, der einst von mächtigen Tannen bestanden war. Der Schwarzwald wurde ab dem 19. Jahrhundert mit Fichtenmonokulturen aufgeforstet, die weniger widerstandsfähig sind. Heute haben wir eine Wirtschaft, die totalitär regiert und wachsen will, bis alles ausgebeutet ist und viele Landstriche unbewohnbar und unfruchtbar sind.
Konstante Steigerungsraten erzwingen eine unnatürlich exponentiell steigende Wachstumskurve. Dass diese ewig bis ins Unendliche steigt ist Utopie. Die Theorie des Wachstums sollte einen Ausweg offen lassen, da nichts ewig wachsen kann. Sonst besteht Gefahr, auf Grenzen zu prallen und wie eine Seifenblase zu zerplatzen. Die Erde wird auf Ewigkeiten nur rund 12750 km Durchmesser haben und auch die Landmasse wächst nicht mit dem Flächenverbrauch.
Der Wirtschaftskapitalismus ist kein Naturgesetz. Statt darwinschen Gesetzen sind die Gesetze des Wirtschaftskapitalismus Menschenwerk und können von Menschen geändert werden.
Zur Loslösung vom zur Geißel ausgebildeten Wachstum braucht es eine starke staatliche Führung und gemeinsame grundlegende strukturelle Veränderungen.:
Für dauerhaften Wohlstand muss man den Menschen die Fähigkeit geben, innerhalb von Grenzen zu gedeihen. Diese Grenzen werden durch die Endlichkeit unseres Planeten gesetzt, dessen Beanspruchung durch den Mensch überspannt ist.
Zu diesem Paradigmenwechsel werden benötigt
1. eine neue Makroökonomie, die sich auf die ökologischen Grenzen einstellt und unabhängig vom Konsumwachstum ist. Für Ressourcenverbrauch und Umweltbelastung werden absolute Grenzen festgesetzt innerhalb derer sich diese neue Makroökonomie ausschließlich ohne Erweiterungsoption bewegen kann. Dies löst die Salamitaktik vergangener Jahre ab, bei der die Einschnitte in die Natur, Emissionen und die Zugeständnisse der Gemeinschaft stückweise dem Wachstum geopfert wurden.
2. Änderung der gesellschaftlichen Logik des Konsumismus
Der Staat spielt dabei eine tragende Rolle. Die westlichen Regierungen, insbesondere die Deutsche haben bewegt vom Neoliberalismus eine Laissez-faire Politik gegenüber der Wirtschaft betrieben. Diese Politik hat ein wirtschaftsfreundliches Klima geschaffen, das andere Werte nicht gedeihen lässt. Mit Leistungsindikatoren, wirtschaftsgetrimmter Bildung in Schulen und Universitäten, Raumplanung, investorgerechten Stadtumbauten, Förderung von Niedriglöhnen, getriebene kürzere Zyklen von Produktinnovationen und dem fehlen von Produktnormen zur Langlebigkeit wird dem Dreiklang aus Konsum, Wachstum und Wettbewerb gefolgt. Die Politik formt also die gesellschaftliche Welt – warum nicht weniger materialistisch?
Staaten haben sich gebildet, um über dem Individuum stehende Interessen im Guten wie im Bösen durchzusetzen. Entscheiden wir uns für das Gute! Der Interpretationsfehler in den letzten Jahren war nur, dass das individuelle Interesse zum guten allgemeinen Interesse erhoben wird, wenn es nur einflussreich und finanzkräftig genug ist.
Wird die Idee des Gesellschaftsvertrags wiederbelebt, wird mit der Abgabe von Freiheiten an die Gesellschaft das Leben der Individuen vor der schrankenlosen Freiheit der anderen geschützt. Mit dem weitsichtigerem Auge der Gesellschaft werden soziale und ökologische Werte geschützt, an das Morgen wird gedacht und eine Zukunft ist möglich. Der Staat muss also sicherstellen, dass langfristig notwendige öffentliche Güter nicht durch kurzfristige private Interessen gefährdet werden. Diese Gefährdung ist Ausdruck des Wachstumsdilemmas, das den Staat zur Geisel zur Erreichung ökonomischer Stabilität gemacht hat. Zur Befreiung von dieser Rolle der Geisel müssen mit starker Führung gemeinsam in einer Völkergemeinschaft grundlegende strukturelle Veränderungen angegangen werden. Die Staaten können dabei als Signal ihr Steuersystem von einer Besteuerung positiver Dinge wie Einkommen auf die Besteuerung negativer Dinge wie Landschaftsverbrauch und CO2 Emissionen ändern.
Die Banken als Kreditgeber für Investitionen sind ebenso Antreiber des Wachstums und des materiellen Konsums. Sie regieren in Unternehmen hinein, obwohl es schlicht ihre Aufgabe ist, Kapital für notwendige Investitionen zur Verfügung zu stellen. Dabei stehen Investitionen und Wachstum in keinerlei Zusammenhang. Es entsteht erst eine Kausalität, wenn Zinsen und Renditeerwartungen entsprechend hoch sind. Hier haben bereits die G20 erkannt, dass eine neue Ära finanz- und steuerpolitischer Umsicht beginnen muss. Der Finanzsektor schafft keine Werte, sondern nur Forderungen. Daher müssen die Banken und die Finanzmärkte wieder auf ihre geringere Bedeutung gegenüber der Realwirtschaft zurechtgestutzt werden. Eine Deliberalisierung der Finanzströme schafft mehr Stabilität für die Volkswirtschaften. Damit wäre weniger Krisenmanagement mit Forderung nach noch mehr Wachstum erforderlich.
Die bereits entwickelten Länder müssen sich beim Gedeihen in gesetzten Grenzen noch mehr zurücknehmen, um Raum für Entwicklungsländer zu schaffen. Das Zugeständnis von Nachholbedarf muss sich aber auch an die neuen Zeiten orientieren und die Fehler von gestern ausschließen. Die hochentwickelten Ländern müssen die ärmeren Länder für eine nachhaltig ausgerichtete Entwicklung unterstützen, die zu gesetzten Grenzen konvergiert.
Viel zu lange gingen die Absolventen der Wirtschaftswissenschaften von den Universitäten zu ihren Jobs mit dem eingetrichterten Dogma unbegrenzten Wachstums, das für Wohlstand unabdingbar sei. Um an der Wurzel anzusetzen braucht es eine akademische Aufrüstung in Forschung und Lehre für fachliche Grundlagen einer ökologischen Makroökonomie. Es muss der Fragen nachgegangen werden, wie sich Volkswirtschaften in Grenzen verhalten. Sind sie tatsächlich zum Untergang verurteilt, wie immerzu postuliert wird?
Die neue Makroökonomie erfordert eine Umpolung des bisherigen Verständnisses von menschlicher Arbeit. Die Steigerung der Arbeitsproduktivität ist dann nicht mehr zielführend, da sie höheren materiellen Konsum zur Erhaltung des Beschäftigungsniveaus einfordert. Dagegen gewinnen arbeitsintensivere Arbeit und ökologische Investitionen an Bedeutung.
Man kann diese neue Wirtschaft Aschenputtel-Wirtschaft nennen, in der Dienste von bislang belanglosem Rang wichtig werden und der Wert menschlicher Arbeit honoriert wird. Mit dem Fokus auf ressourcenschonende Aktivitäten wird auch eine neue Erwartung an Renditen und Eigentum einhergehen müssen. Die Fähigkeit zu Gedeihen legt bereits vor, das Geld und Kurswerte allein nicht mehr Produktivität und Wohlstand kennzeichnen werden. Letztlich werden alle Wirtschaftsbereiche davon erfasst werden, sie werden sich anders ausrichten müssen. Die Landwirtschaft mit dem Schutz von Boden und gutem Umgang mit Ackerflur und Vieh, die Industrie mit haltbareren Produkten und weniger Trash und Masse, die Bauwirtschaft mit Sanierung im Bestand, der Finanzsektor mit der Unterstützung langfristiger Investitionen.
Die gesamte Ökonomie profitiert davon, wenn körperliche Arbeit besser bezahlt wird. Es wird perfide eingebracht, eine höhere Bezahlung der Näherinnen in Bangladesh würde das Gefüge der Gesellschaft mit gering verdienenden Bauern und Rikschafahrern durcheinander bringen. Doch verdienen die Kopfarbeiter von Sparpaketen, Rationalisierungsprogrammen und Kontrollmechanismen nicht selbst über die Maßen mehr? Die zur Verfügung Stellung von geistiger und körperlicher Kraft muss unabhängig vom Bildungsweg angemessen bezahlt werden. Werden weniger Überschüsse abgeschöpft bleibt mehr für die Wohlfahrt der Volkswirtschaft.
Wenn wir solchermaßen dem Kapitalismus ein neues Gesicht geben, können wir weiterleben. Die Abschaffung des Wachstums bedeutet nicht gleich die Abschaffung des Kapitalismus. Vielmehr wird Kapital klug und weitsichtig ohne Renditegier und nicht unbedingt privat sondern auch öffentlich oder gesellschaftlich eingesetzt werden.
Sowohl die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ als auch die OECD-Initiative „Beyond GDP“ (Jenseits des BIP) sind immerhin bereits auf die Suche nach neuen Indikatoren zur Messung von Wohlstand und Fortschritt gegangen. Die Einsicht hat stattgefunden, dass das bislang dominierende Bruttoinlandsprodukt nur die Geschäftigkeit der Wirtschaft misst, ohne zu beachten, was die Zunahme des BIP für den Menschen bringt oder negativ hinterlässt. Die Machbarkeit stetiger exponentieller Zunahme des BIPs angesichts physikalischer, menschlicher, ökologischer und räumlicher Grenzen ist absurd. Die Enquete-Kommission ist dabei in 2013 zu einem ganzen Armaturenbrett gekommen, was zeigt wie komplex der Ausdruck von Wohlstand ist. Unbeeindruckt von dieser Arbeit fahren die europäischen Staaten mit der deutschen Kanzlerin an der Spitze weiter mit der Ausrufung von Wachstum zur Krisenbewältigung. Wie das etwa mit der Steigerung des Güterverkehrs, weiterer Ausbeutung von Ressourcen, weiterer Belastung von Mensch und Natur zu verantworten ist bleibt unbeantwortet.
Carpe Diem – lebe den Tag. Der Shareholder Value hat nicht länger oberste Prämisse zu sein. Hier können Anteilseigner ihren Schneid beweisen, dem Renditewahn ein NEIN entgegen zu stellen. Dem Streben nach Steigerung des Unternehmenswertes um jeden Preis sollte mehr Menschlichkeit und Zufriedenheit mit aktuellen Gewinnen und Gewinnsteigerungen weichen. Gesamtwirtschaftlich haben so mehr Unternehmen am Markt eine Chance. Die Umsätze werden damit auf mehr Beteiligte – Arbeitgeber wie Arbeitnehmer – verteilt. Die Umsätze werden also im volkswirtschaftlichen Kreislauf besser ausgenutzt und verpuffen nicht in Bilanzen. Damit entfalten Materialeinsätze eine größere Breitenwirkung statt als virtuelles Geld um die Welt zu kreisen.
Zur Abgabe von Freiheiten an die Gesellschaft gehören neben der Beschränkung auf Grenzen in einer neuen Makroökonomie auch Selbstverpflichtungen der Individuen, dem Reiz des Neuen zu widerstehen. Nur wenn Angebot und Nachfrage gemeinsam einen langsameren Schritt gehen, ist ein Aufbrechen des Konsumismus mit seiner zerstörerischen Wachstumsspur möglich.
Mit der Anhäufung von Produkten und deren ständigen Erneuerung werden in unserer Gesellschaft Status, Identität und Zugehörigkeit erlangt. Der Reiz des Neuen befriedet Sehnsüchte und lässt aus dem Alltag entfliehen. Die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben treibt die Menschen bislang in die Gefangenschaft des materialistischen Konsums. Je ungleicher eine Gesellschaft ist, also je größer die Diskrepanz zwischen arm und reich ist, desto größer ist das Streben, mit mehr Konsum einen höheren Status zu erlangen. Dies wird mit den Mitteln des möglichen versucht, etwa durch besonders billige Produkte oder mit Krediten. Billige Produkte tragen meist zu einem größeren Fußabdruck in den Ökosystemen bei und bieten anderen Menschen schlechtere Arbeitsbedingungen/- entlohnung. Kredite heizen den Kapitalmarkt an. Diese gesellschaftliche Logik des Konsumismus muss angegangen werden, da sie den Materialverbrauch antreibt. Wohlstand ist mehr als materieller Reichtum. Die Überreizung mit materiellen Werten und der immer kürzer getaktete Konsumismus machen einen wachsenden Teil der Bevölkerung groggy. Sie wollen weniger und damit weniger Wachstum. Die Loslösung von materialistischen Werten mit Umfokussierung auf das eigene Ich, die Gemeinschaft und die Umwelt macht glücklicher. Die Erfüllung im Leben mit gefälliger Arbeit, Familie und privatem Raum gewinnt gegenüber Status, Vermögen, Rang und Karriere an Bedeutung.
Einem weniger materialistischen Leben steht auch die öffentliche Hand entgegen, denn es würde das propagierte Wirtschaftswachstum bremsen. Auf kommunaler Ebene wird ein Überangebot von Verkaufsflächen geschaffen, Shopping-Malls werden eröffnet und verkaufsoffene Sonntage werden abgehalten. Wieso müssen deutsche Hauptbahnhöfe die Fahrgäste mit „Shops“ abfangen? Wieso muss jeder öffentliche Raum bewirtschaftet und mit konsumanregenden Werbebannern verkommerzialisiert werden? Die Stadtentwicklung von heute schafft nicht öffentliche Räume, sondern Konsumräume zur Abschöpfung von Kaufkraft. Das gesellschaftliche Leben ist nicht mehr im Takt des gemeinsamen Feierabends, Wochenende, Feste feiern und Ruhe. Die Legislative bleibt tatenlos gegenüber Sollbruchstellen in Produkten. Die ganze Volkswirtschaft ist auf Materialismus ausgerichtet.
In diesem Punkt würde die Loslösung vom Wachstum unmittelbar den Ressourcenverbrauch senken und glückliche Menschen machen. Es müssen daher auch neue Strukturen aufgebaut werden, die es ermöglichen, auf weniger materialistische Art zu gedeihen und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Gefördert wird dies mit mehr Gleichheit in der Gesellschaft, damit der Statuswettbewerb zurück geschraubt wird. In Deutschland betrifft das den von der Agenda 2010 geschaffenen Niedriglohnsektor, aus dem die Menschen mit einer Anhebung der Einkommen geholt werden müssen. Wird der Niedriglohnsektor geschrumpft, steigt auch insgesamt das Lohnniveau, da mehr Geld für den Binnenmarkt in Umlauf kommt und sich die Orientierung zur Entlohnung neu ausrichtet. Auf der Seite der Spitzeneinkommen bedarf es einer Beschneidung, um den unteren Einkommen entgegenzukommen.
Zur Stärkung der Gemeinschaft, in der die Einkommen und Vermögen weniger Gefälle haben und Güter an Bedeutung verlieren, muss die Teilnahme am öffentlichen Leben anders als durch Status, Produktidentität und Latte Macchiato befähigt werden. Die öffentliche Hand muss dem öffentlichen Raum mehr Gewicht beimessen und nicht kommerzielle öffentliche Räume schaffen. Die Stadtentwicklung muss wieder zurück zu einem Verständnis von Stadt kommen, das kleinteilig funktionsgemischte Quartiere mit einem Nebeneinander von Wohnen, Handel und Gewerbe zulässt und die Stärken von Kleinstrukturen anerkennen. Kleinstrukturen schaffen wohnortnahe Arbeit mit Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Kleinstrukturen befruchten das Gemeindeleben, auch das Überraschende, das Besondere bietende, das Tradition haltende hält Einzug im Stadtteil. Es lassen sich Handel und Gewerbe mit vielen Verflechtungen, Akteuren und Möglichkeit nieder und integrieren so eine florierende Wirtschaft im Stadtteil. Gefördert wird dieser Mikrokosmos, wenn die Verbraucher vor Ort den Konsum von Produkten und Dienstleistungen als Investition in den eigenen Lebensraum begreifen. Eine solche zwar florierende aber durchaus statische Wirtschaft läuft abseits der wachstumsorientierten Wirtschaft, welche in die Daseinsvorsorge eingedrungen ist. Die gesamte Daseinsvorsorge muss entprivatisiert und entkommerzialisiert werden, damit Anreize für mehr Verbrauch und Konsum von Produkten in den Hintergrund treten.
So ist São Paulo, die viertgrößte Stadt der Welt und bedeutendste Stadt Brasiliens, im Jahre 2007 den radikalen Schritt gegangen, und hat sämtliche im öffentlichen Raum sichtbare Werbung verboten und Werbung an Geschäften auf ein minimales Maß beschränkt. Tausende von Leuchtreklamen mussten abmontiert werden, keine Werbung ragt mehr über den Geschäften in die Luft, LKW Planen wurden überstrichen und selbst McDonalds darf nur noch ein kleines M im Hintergrund zeigen.
Ein anderes Beispiel für kommunales Engagement ist die Bewegung Cittaslow. Diese 1999 in Italien gegründete Bewegung geht gegen die Gleichmacherei unserer Städte an und tritt ein für die Entschleunigung. Städte mit weniger als 50.000 Einwohner können Mitglied werden. Mitgliedsstädte sorgen dafür, dass auch deren Bürger bewusst wird, in einer Cittaslow zu leben. Diese Städte haben erkannt, dass der ewige Wettbewerb mit Einkaufszentren, die Landschaft zersiedelnden Speckgürtel und eintönigen Discountern am Ortsrand ihnen die Identität nimmt und nicht im Einklang mit einer Nachhaltigen Entwicklung steht. Das nur all zu oft von den Städten geförderte schematisierte von Großunternehmen designte Leben führt zu einem Leben in einer austauschbaren Stadt. Ziel ist eine Nachhaltige Stadtentwicklung mit Förderung der städtischen Struktur, der gewachsenen Werte, der Regionalkultur und der regionalen Produkte. Dabei wird Wert auf umweltschonende Techniken, regionale Kreisläufe und Ausschöpfung von Flächen innerhalb der urbanen Grenzen gelegt zum Gedeihen in einer intakten Landschaft, wo Flächen für einheimische Agrarprodukte gesichert werden und dem Flächenfraß Einhalt geboten wird.
Auf bürgerschaftlicher Ebene suchen bereits einige Initiativen Antworten für die Frage nach einem materiell bescheideneren Leben, und haben diese mit manchen Projekten gefunden. Es bilden sich so in Städten, Dörfern und Nachbarschaften starke Gemeinschaften. Eine dieser weltweit vernetzten Initiativen ist das Transition Network.
Eine spezielle Form des materiell bescheideneren Lebens ist der frugale Lebensstil, der bereits das Positive im Namen trägt. Zur Frucht kommen mit Maß und Bescheidenheit. Glücklichsein ohne Ballast des Konsums, und dabei der Schöpfung verpflichtet.
Die Fähigkeit zu Gedeihen in einer Welt ohne Wachstum setzt auch bei den Wurzeln der Zivilisation an – der Landwirtschaft. Die Natur braucht den Menschen nicht, wohl aber der Mensch die Natur. Abseits von Börsen für Weizen, Mais, Soja, Rinder und Schweinebäuche muss die Landwirtschaft Anerkennung als mit der Natur und für den Menschen tätiger Erwerbszweig erlangen. Eine ökologische bäuerliche Landwirtschaft kann mit neuen Anbaumethoden den Hunger der Welt besiegen und die Bodenfruchtbarkeit der von der industriellen Landwirtschaft ausgemergelten Böden wieder herstellen. Die Biodiversität in der kleinteiligen Kulturlandschaft kann sich gegenüber der auf reine Nahrungsmittelproduktion ausgerichteten industriellen Landwirtschaft entfalten und nützt wiederum dem Ökolandbau. Mit kleineren Wirtschaftseinheiten und größerer Achtung von Lebensmitteln und Arbeitsprozessen können mehr Menschen zu auskömmlichen Gehältern beschäftigt werden.
Wenn statt wachstumsorientierter Großunternehmen mehr Kleinstrukturen mit regionalen Verflechtungen gefördert werden (siehe CittaSlow), kann die Beziehung zwischen Verbraucher und Produzenten über den bloßen Kauf von Produkten zu einem billigen Preis hinausgehen zu einer gemeinsamen Wertschätzung für die Natur mit vielfältigen nachhaltig angebauten Feldfrüchten. Wenn in den mit Pestiziden belasteten und aus intensiven, bodenverarmenden Anbaumethoden stammenden Industrieprodukten die Preise für ökologische, ökonomische und gesundheitliche Folgen enthalten wären, gäbe es keine Frage nach der Machbarkeit (Stichwort Kosteninternalisierung).
Doch dies ist keine Utopie. Marie Monique Robin ist weltweit auf die Suche nach zukunftsweisenden Anbaumethoden gegangen und hat dies im beachtenswerten Film „die Zukunft pflanzen“ zusammengefasst:
So wird in Mexiko die von den Mayas ursprünglich betriebene Anbaumethode „Milpa“ wieder gepflegt. Milpa ist eine Kreislaufwirtschaft mit kombiniertem Anbau von Mais, Bohnen, Kürbis und wilden Sonnenblumen, bei der Mais eine Rankhilfe für die Bohnen ist, das Bohnengestrüpp den Mais düngt und die großen Kürbisblätter den Boden vor Errosion und Austrocknung schützen.
Ernährungssouveränität und ökologische Intensivierung der Landwirtschaft sind das Rezept von Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, um den Hunger der Welt zu stillen. Nicht die von BASF, Monsanto & Co propagierte industrielle Landwirtschaft mit deren teuren Pestiziden und chemischen Düngern. In Ländern mit niedrigen Einkommen nehmen Lebensmittel einen großen Anteil der privaten Ausgaben ein, wenn kein direkter Zugang zu eigenem Land besteht. Abhängigkeiten von Chemiekonzernen für Saatgut, Pestizide und Dünger verteuern den Anbau, lassen weniger Gewinn übrig. Zur Bekämpfung des Hungers braucht es nicht eine Steigerung der Produktivität sondern souveräne Macht der Erzeuger über Land, Anbaumethoden, Vermarktung und auskömmliche Preisbildung und weniger Korruption, weniger Landnahme von Spekulanten. Die Chemiekonzerne müssen aus dem Agrarbereich verdrängt werden. Ökologische Landwirtschaft ist nicht nur günstiger, ihre Ernten werden sogar ertragreicher als bei chemisch industrieller Landwirtschaft. Mit den gesparten Kosten können in Lagerhaltung, Verarbeitung und Transport investiert werden, weniger wertvolle Lebensmittel verderben dann. Die ökologische Intensivierung der Landwirtschaft bedeutet die intelligente Nutzung der Natur und ihrer komplexen Mechanismen. Grundlagen dieser Landwirtschaft sind modernste chemiefreie wissenschaftliche Erkenntnisse und traditionelle Erfahrungsschätze. Die Biodiversität wird gefördert und der Mensch stillt seinen Hunger im Einklang mit der Natur.
Ein weiterer Lösungsansatz ist die Agroforstwirtschaft. In Malawi wirbt ICRAF für eine Anbaumethode von Mais ohne chemischen Dünger. Damit werden ein günstiger Anbau, natürliche Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit und weniger Austrocknung erreicht. Die Blätter von geeigneten Bäumen (Gliricidia), die rund um die Felder und mitten drin gepflanzt werden, werden unter den Ackerboden gegraben. Das bringt Stickstoff und erhält die Feuchtigkeit. Den Familien geht die Ernte nicht schon im September aus, sie können sogar an Nachbarn verkaufen, die herkömmlich mit chemischem Dünger anbauen.
Ein effektiver Pflanzenschutz wird mit der Kombination von Vergrämung und klebrigen Eiablageorten erreicht. In Kenia wird für diese Push-Pull-Technik zwischen den Pflanzreihen der Kleinstrauch Desmodium als Vergrämungsmittel und Elefantengras als Falle am Feldrand gepflanzt. Ihre Geruchsstoffe vertreiben oder verführen die Insekten. Am Elefantengras können sich die Raupen jedoch nicht entwickeln, da sie an den klebrigen Blättern haften bleiben.
Aus den gemäßigten Breiten wird ein Bauer am Oberrhein in Süddeutschland vorgestellt, der sich nach 15 Jahren vom konventionellen Maisanbau abgewendet hat, da die Maispflanzen den Boden auslaugten. Die intensive Kultivierung mit den chemischen Helfern verbrauchte die Erde, machten sie hell und krümelig. Er sieht die Zukunft in vereinfachten Anbaumethoden, die auf das Umpflügen des Bodens verzichten. Der Boden wird dabei als eine Einheit betrachtet, die möglichst nicht gestört werden darf und biologisch und chemisch verstanden werden muss. Vielmehr sorgt eine ständige Vegetationsdecke aus Getreide und Klee für eine natürliche Humusbildung. Mit der Gründüngung ohne zugesetzten Dünger bilden die Pflanzen viele Wurzeln, da sie sich die Nahrung erkämpfen müssen. Dieser Boden hält das Wasser besser, erodiert nicht und duftet gesund nach Walderde. Diese Anbaumethode verbraucht 45 % weniger Energie.
Als Erfolgsgeschichte des Ökolandbaus mit alten Sorten sei noch die Wiederentdeckung der Alblinsen entdeckt. Obwohl „Linsen mit Spätzle“ das Nationalgericht der Schwaben ist, galten die typischen Alblinsen als ausgestorben, der Linsenanbau wurde in den 60er Jahren eingestellt und Linsen wurden nach Deutschland importiert. Seit 2011 sind die Alblinsen wieder auf dem Markt, nachdem die Spätschen Alblinsen – eine Züchtung aus Landsorten der Schwäbischen Alb – im Jahre 2006 in der Wawilow-Saatgutbank in St. Petersburg wiederentdeckt wurden. Es bildete sich die Öko-Erzeugergemeinschaft „Alb-Leisa“ zu deren Vermarktung. Linsen sind wie andere Hülsenfrüchte wichtige Eiweißlieferanten. Die Leguminosen helfen der Bodenfruchtbarkeit und anbaubedingt auch der Artenvielfalt.
Wohlstand ohne Wachstum ist eine menschliche, ökologische wie finanzpolitische Notwendigkeit!
Links/ Quellen 11/2024 überprüft
Jenseits des BIP
http://www.bundestag.de/bundestag/gremien/enquete/wachstum/index.jsp
(11/2024 nicht mehr aktiv. Google Ergebnisse mit Stichworten "bundestag
enquete jenseits des Wachstums" bzw "bundestag enquete jenseits des BIP")
http://www.oecdbetterlifeindex.org
Lex Airbus
http://www.vsp-vernetzt.de/soz-06/0602092.htm
Lex Airbus – eine wirtschaftspolitische Kriminalgeschichte
http://www.ndr.de/regional/dossiers/airbus/chronologie/airbus44.html – die Chronologie bis 2007
(11/2024 nicht mehr aktiv. Google Ergebnisse mit Stichworten "NDR Lex Airbus Hamburg Chronologie bis 2007")
http://www.rettet-die-elbe.de/inhalt_sonstigeprobleme.php
Förderkreis „Rettet die Elbe e. V.“ zum Mühlenberger Loch
http://bund-hamburg.bund.net/index.php?id=4682&tx_ttnews[tt_news]=20455&tx_ttnews[backPid]=4647
(11/2024 nicht mehr aktiv. Alternativ siehe die Meldung https://www.abendblatt.de/hamburg/article106507460/BUND-kritisiert-defizitaere-Ausgleichsflaechen.html)
Defizitärer Ausgleich für das Mühlenberger Loch
Fluglärm Fraport
https://www.klima-umweltschutz-luftverkehr.de/ - Initiative gegen den Fluglärm Mainz und mittlerweile (11/2024)
allgemeiner zum Klima-, Umwelt- und Lärmschutz.
Fracking
http://www.gegen-gasbohren.de – Vereinigung der Initiativen gegen unkontrollierte Erdgassuche und hydraulic Fracturing in Deutschland
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/laenderreport/2066503/
((11/2024 nicht mehr aktiv. Google Ergebnisse mit Stichworten "Länderreport über Fracking im Deutschlandfunk dradio")
Länderreport über Fracking im Deutschlandfunk
EU-Kommissar Oettinger fordert Fracking in Deutschland für Wettbewerbsvorteile
Hemmungsloser Bergbau, Beispiele aus Rumänien und Deutschland
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/2212800/
Kanadisches Bergbauunternehmen verspricht rumänischem Dorf Arbeitsplätze für 16 Jahre Tagebau. Und danach? Giftiger Staussee, zerstörter Landschaft
http://www.euractiv.de/ressourcen-und-umwelt/artikel/goldrausch-in-rosia-montana-006516
Bergbau in der EU
http://www.untertage.com/presseschau/71-das-gold-der-karpaten-rosia-montana.html
Über das Strohfeuer des Goldrauschs, Zwist und drohende Umweltzerstörung
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/2130839/
Braunkohletagebau vor dem BVG. Trotz der angesagten Energiewende wird weiter Land abgegraben. Verschiedene Stimmen zur Vergangenheit und Garzweiler II.
http://www.aachener-nachrichten.de/lokales/region/kohleabbau-statt-alter-haeuser-karlsruhe-ueberprueft-garzweiler-1.588907
Braunkohletagebau vor dem BVG wirft Licht auf die Vernichtung von Heimat
Flächenverbrauch
http://www.dr-frank-schroeter.de/Bodenverbrauch/Aktueller_Stand.htm
Der Bodenzähler des Raumplaners Dr. Frank Schröter von der TU Braunschweig bilanziert den wenig gebremsten Verbrauch von Natur- und Kulturlandschaft für Siedlung und Verkehr in Deutschland. Am 10.6.2013 8,52 Quadratmeter pro Sekunde
Energiewende
http://www.boell-bw.de/fileadmin/Heinrich-Boell-Stiftung/2010/desertec_workshop.pdf
Kritische Betrachtung von Großanlagen
Buch „Der Energethische Imperativ – Wie der vollständige Wechsel zu erneuerbaren Energien zu realisieren ist.“, von Hermann Scheer (gest. 2010), u. a. Träger des Alternativen Nobelpreises.
2012 erschienen im Verlag Antje Kunstmann GmbH, ISBN 978-3-88897-753-4
Herr Scherr hat in diesem Buch eine ganzheitliche Analyse über Bremsen und Wege des Wechsels zu erneuerbaren Energien zusammengestellt. Es ist ein Plädoyer für einen vollständigen Wechsel zu erneuerbaren Energien mit dezentralen, klein dimensionierten, schnell zu realisierenden und von Bürgern, Genossenschaften und Kommunen getragenen Anlagen.
Freihandelsabkommen EU-USA (TTIP)
http://blog.campact.de/2013/12/die-grosse-unterwerfung/
https://www.campact.de/ttip/
Entschleunigung
http://www.cittaslow.info - für eine nachhaltige Stadtentwicklung
Landwirtschaft
http://www.arte.tv/de/zukunft-pflanzen-bio-fuer-9-milliarden/6815836.html
- Film über die Möglichkeiten der ökologischen Landwirtschaft von Marie-Monique Robin, gezeigt vom Sender Arte in 2012
http://www.abl-ev.de - Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft
http://www.vom-acker-in-den-futtertrog.de/
http://www.ig-nachbau.de/ - Gegen Nachbaugebühren
http://www.boelw.de/uploads/media/pdf/Themen/Argumentationsleitfaden/Bio-Argumente_BOELW_Auflage4_2012_02.pdf - 28 - Antworten zum Ökolandbau
http://www.alb-leisa.de
Bewegung
http://www.drittes-europaeisches-forum.de/ - 3. Europäische Forum gegen unnütze und aufgezwungene Großprojekte vom 25.-29. Juli in Stuttgart
In Stuttgart gibt es dazu auch den Arbeitskreis Stuttgart 21 ist überall http://stuttgart21international.wordpress.com/
Albrecht Müller von nachdenkseiten.de über die Manipulation bei Großprojekten
http://www.nachdenkseiten.de/?p=17633
Diese Rede hielt er am 15. Juni bei einer Veranstaltung unter dem Titel „Prinzip S21 ist überall“ auf dem Schlossplatz Stuttgart.
http://www.bei-abriss-aufstand.de/2013/06/16/ruckschau-grosdemo-gegen-stuttgart-21-auf-dem-schlosplatz/
Der Petitionstext gründet auf dem Buch von Tim Jackson
„Wohlstand ohne Wachstum“ – Leben und wirtschaften in einer endlichen Welt
Deutsche Übersetzung herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung
2011 in der 3. Auflage erschienen im oekom Verlag
ISBN 978-3-86581-245-2