Gesetzesgrundlagen

Über 25 Jahre Rio 1992 - nix passiert


Auf der denkwürdigen Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro wurde die Nachhaltigkeit mit Recht auf gesundes, produktives Leben im Einklang mit der Natur verankert. Die Bundesrepublik verpflichtete sich, das Leitbild der 40 Kapitel umfassenden Agenda 21 umzusetzen, sowie sich an die ratifizierte Konventionen zum Klimaschutz und zur biologischen Vielfalt zu halten  Viele Städte und Gemeinden hatten auch vorbildlich entsprechend Kapitel 28 der Agenda 21 im Dialog mit der Gesellschaft die Umsetzung des nachhaltigen Programms beschlossen und umgesetzt. Seit 1992 sind Nachhaltigkeit und Flächenschutz verstärkt in das Baugesetzbuch eingeflossen. Alle 5 Jahre wird Bilanz gezogen. 2017, zum 25-jährigen Jubiläum fiel diese abermals bescheiden aus. Die Ansätze von Rio und darauffolgenden Konferenzen wurden zu sehr dem Neoliberalismus unterworfen.

 

Folgende die Nachhaltigkeit betreffenden Paragraphen werden regelmäßig von Marktfundamentalisten und Wachstumsgläubigen ignoriert. Oder man glaubt, sie seien verhandelbar und wegwägbar.  Für Weltmarktführer und andere große Unternehmen. Für die Befriedigung von Geltungssucht und Minderwertigkeitskomplexen der Kommunen sowie für deren ruinösen Wettbewerb um Einwohner und Gewerbe:

  • Grundgesetz
    •  §20a
      • Der Staat schützt auch in Verantwortung für künftige Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen ... durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.
  •  Baugesetzbuch
    •  §1 Absatz 5
      • Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen gewährleisten. Bauleitpläne sollen menschenwürdige Umwelt sichern, Lebensgrundlagen schützen, Klimaschutz fördern
    • §1 Absatz 6
      • Besonders bei Aufstellung der Bauleitpläne zu berücksichtigen:

u.a. Die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft…. (die Umweltberichte zielen dagegen in einer zur Unart ausgewachsenen Praxis auf „streng geschützte Arten“. Das BauGB schützt unbestimmt alle Tiere und Pflanzen unabhängig von ihrer Masse.)

    • §1a Absatz 2
      • Mit Grund und Boden sparsam umgehen.
      • Umnutzung landwirtschaftlicher Flächen nur im notwendigen Umfang. Notwendigkeit muss begründet sein (Nicht billig ich will mehr)
  • §1a Absatz 3
    • Zur Beachtung bei der Abwägung steht nicht an erster Stelle der Ausgleich, sondern die Vermeidung. Man muss auch zum Schluss kommen können, dass ein Baugebiet nicht umgesetzt werden darf.
    •  §35 Absatz 3
      • Beeinträchtigung öffentlicher Belange insbesondere, wenn das Landschaftsbild verunstaltet wird und der Erholungswert beeinträchtigt wird.
    • Anlage 1, die Anleitung zum im §2a BauGB geforderten Umweltbericht
      • Nr. 2 b) bb) Im Umweltbericht muss die Auswirkung auf den Boden, Fläche, Wasser, biologische Viefalt, unbestimmt alle Tiere und Pflanzen beschrieben werden
      • Nr. 2 b) hh) fordert, dass die Bewertung der Umweltauswirkungen den auf der Ebene der Europäischen Union oder auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene festgelegten Umweltzielen Rechnung zu tragen ist. Eine Beschränkung auf die Verhinderung vonVerbotstatbeständen des Bundesnaturschutzgesetzes (§44) zur Sicherung der Population allein der streng geschützten Arten dürfte damit angesichts der von jedermann feststellbaren Auswirkung des Anthropozäns ungenügend sein.
  • Raumordnungsgesetz
    •  §1 Absatz 2
      • Leitvorstellung ist eine nachhaltige Raumentwicklung
    • §2 Absatz 2
      • Nr 1: Im Gesamtraum der Bundesrepublik sind ausgeglichene ... Verhältnisse anzustreben. Wir brauchen eine gerechte Raumplanung, die nicht Kapital und Wirtschaft im Südwesten konzentriert.
      • Nr 5: Kulturlandschaften sind zu erhalten und zu entwickeln. Historisch geprägte und gewachsene Kulturlandschaften sind in ihren prägenden Merkmalen [...] zu erhalten. Die unterschiedlichen Landschaftstypen und Nutzungen der Teilräume sind mit den Zielen eines harmonischen Nebeneinanders, der Überwindung von Strukturproblemen und zur Schaffung neuer wirtschaftlicher und kultureller Konzeptionen zu gestalten und weiterzuentwickeln. Es sind die räumlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Land- und Forstwirtschaft ihren Beitrag dazu leisten kann, die natürlichen Lebensgrundlagen in ländlichen Räumen zu schützen sowie Natur und Landschaft zu pflegen und zu gestalten.

Sowie:

  •  UN–Konferenz von Rio 1992 (Erdgipfel)
    •   Recht auf nachhaltiges Leben (Rio-Erklärung)
    • Agenda 21
      • 40 Kapitel mit 4 Schwerpunkten. Schwerpunkt II "Erhaltung und Bewirtschaftung der Ressourcen"
        • Kapitel 10 Seite 78 bis 82 (siehe Link unten): "Integrierter Ansatz für die Planung und Bewirtschaftung der Bodenressourcen". Land ist eine begrenzte Ressource. Durch eine entsprechende Bodenpolitik und Instrumentarium soll eine nachhaltige Bewirtschaftung der Bodenressourcen erreicht werden.
    • Konvention zur biologischen Vielfalt
    • Konvention zum Klimaschutz
  • UN-Jahr des Bodens 2015
  • Die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN für 2030, formuliert 2015
    • deutsche Nachhaltigkeitsstrateige orientiert sich daran
    • bis 2030 soll die nachhaltige Urbanisierung verbessert werden. Ökosysteme schützen, Land vor Verbrauch schützen
    • Kritik (BUND u.a.):
      • leider unverbindlich
      • Da selbst die schwammigen Ziele dem Wirtschaftsdogma zuwider laufen, setzt die Bundesregierung dem täglichen Flächenverbrauch keine Ende. Die Zielerreichung wird in die Zukunft verschoben, unbeirrt wird am weiter so festgehalten.
      • Erhalt des fruchtbaren Bodens muss priorisiert werden.
      • Wenigstens erstmal erreichen der  gesteckten Ziele in der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie, mittelfristig erreichen  der Nullbilanz bei der Flächeninanspruchnahme
  • Ministerpräsident B-W Günther Öttinger (CDU) Regierungserklärung 21.6.2006
    • Forderung Netto Null beim Flächenverbrauch
  • Nationale Nachhaltigkeitsstrategie (Fortschreibung 2016)
    • Deutschland hatte sich bei Rio 1992 verpflichtet, nationale Nachhaltigkeitsstrategien zu schreiben, sich aber anscheinend nicht verpflichtet, diese umzusetzen. Alles nur für den Schein eines verantwortungsbewussten Landes vor der internationalen Gemeinschaft.
    • Flächeninanspruchnahme max 30 Hektar/ Tag in 2030

 

Zur weiteren Vertiefung siehe die vom Bundesjustizministerium online zur Verfügung gestellten Gesetztexte:

http://www.gesetze-im-internet.de

 speziell Baugesetzbuch: http://www.gesetze-im-internet.de/bbaug/index.html

 

Rio-Erlärung der Vereinten Nationen

Dokument der Agenda 21, Bundesumweltministerium 1992 unter Minister Klaus Töpfer

Konvention über die biologische Vielfalt 1992, Bundesumweltministerium

Konvention über die biologische Vielfalt 1992, Bundesamt für Naturschutz

 

Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2018 und die 17 globalen Nachhaltigkeitsziele 2030, BUND

Die 17 globalen Nachhaltigkeitsziele 2030 der Vereinten Nationen, BUND

Positionspapier der Verbände zu den Zielen 2030

Sustainable Development Goals 2030, Seite der Vereinte Nationen

interessant besonders Ziele 11 (Nachhaltige Stadt- und Siedlungsentwicklung) und 15 (Ökosysteme wiederherstellen und Land vor Verbrauch schützen). Jeweils mit Gegenüberstellung von Zielen und Indikatoren

Grundgesetz, Baugesetzbuch mit Raumordnungsgesetz und Bundesnaturschutzgesetz, Nationale Nachhaltigkeitsstrategie Fortschrittsbericht 2012

Aus der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie (im Bild oben der Band rechts): Vorwort von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Indikator Flächenverbrauch


Problem lange bekannt, Mahnungen und Rezepte liegen seit Jahren vor: Ende Gelände von 2005, Tagung Kein Schöner Land 2009. Aktionsbündnis "Flächen gewinnen" 2006 unter der Schirmherrschaft von CDU-Umweltministerin Tanja Gönner

Artikel "Flächenverbrauch und geltendes Recht" von Fritz Endemann aus dem Lesebuch "Ende im Gelände" (LNV, 2005)

Ein wunderbarer Text (die Galerie oben, anklicken - vergrößern), wurde leider  nie weiter verfolgt. Einzig CDU Ministerpräsident Oettinger folgte 2006 der in dem Artikel geforderten Ansage von oben an die Verwaltungen, dass man so mit Rücksicht auf künftige Generationen nicht mehr weiterverfahren kann. Siehe auf Seite 71 allgemeine Schutzgebote in rechtlicher Verbindlichkeit ernst nehmen; Verbindlichkeit "Nach unten" auf die Planungsebenen vermitteln; Planungsträger, Gemeinden durch staatliche Rechtsaufsicht ... anzuhalten, in ihren Planungen dem Flächenschutz die heute unabdingbar zukommende Bedeutung einzuräumen; dadurch wird der Kern der kommunalen Selbstverwaltung und Planungshoheit nicht berührt.

Diese 4 Seiten des Artikels am Ende des Heftes Seite 68-71 erklären, dass in Folge der UN-Konferenz Rio 1992 das Nachhaltigkeitsprinzip in die Rechtsnormen Eingang gefunden hatte, und dies sich auf die objektive Gewichtung des Flächenschutzes und Schutz der Biotope entgegen der Gewichtung der Belange der Gemeinde und ihrer herrschenden Fürsten auswirken müsse.
Die Bundesrepublik ist dazu mit der EU in vertragliche Bindung eingegangen.

 

Herr Endemann nennt explizit die Verführung, in der Allgemeinheit der Gebote zum Flächenschutz darin eine Abstraktion von geringem Gewicht zu sehen und diese bei den Planungsentscheidungen hinter die konkreten lokalen Belange zurückzusetzen. So manche Lokalpolitiker sollte sich hier wiedererkennen. Bereits §1a Abs2 nennt er als Mittel gegen die fehlgehende Praxis und Planungen müssten ungünstige Bedingungen in Kauf nehmen, damit der einfache Griff nach dem Außenbereich unterbleibt. Eben Dank des zugenommenen objektiven Gewichts des Flächenschutzes aus Rio 92 ff folgend.