Friedrich Georg Hoepfner 16.11.24 zum Wohnungsbau - Perfides Ausspielen Eidechsen gegen Obdachlose

Am 16.11.2024 bekam Herr Friedrich Georg Hoepfner (ein Karlsruhe Baulobbyist) auf Seite 2 der BNN Raum für einen Gastbeitrag zum Wohnungsbau. Titel war "Für Eidechsen darf kein Mensch obdachlos werden", womit auf perfide Weise der Artenschutz, respektive Eidechsen, gegen Obdachlose ausgespielt wurde. Dazu formulierte die Ökologische Plattform bei der Linke Baden-Württemberg folgende Gegendarstellung. Denn die alternative, ökologisch-sozial orientierte Position zum Bauen + Wohnen bei der nicht Eidechsen gegen Obdachlose ausgespielt werden sollte ebenso diesen Raum bekommen.
Der Text nimmt Bezug zu Entwicklungen und Neuerungen wie urbane Gebiete, Wiener Modell mit unbefristet vermieteten Gemeindewohnungen, Zweckentfremdungsverbotssatzung, Wohnungstausch, hohe Mieten und Film Sold City, EU-Verordnung
zur Wiederherstellung der Natur.

Wir haben in Deutschland nicht zu wenig Wohnungen, sondern zu wenig bezahlbaren Wohnraum sowie eine falsche Raumordnungspolitik mit Konzentration von Wertschöpfung im Südwesten, die hier zu Anziehungskraft und im Norden und Osten Deutschlands zu Leerständen führt. Zukunftsorientierte Architekten und Städteplaner haben längst Konzepte vorgelegt, wie der Wohnungsmarkt mit weniger Betoneinsatz und Flächenverbrauch entlastet werden kann. Denn wir haben nicht nur die Flächen nicht mehr, es gibt auch gar nicht mehr die Mengen an Sand, Kies und Kalkstein, die ohne empfindliche Einschnitte in die Landschaft und Küsten für den Bauwahn bereitgestellt werden können.

Die geforderten 400.000 Wohnungen sind eine dahingestellte Zahl, ohne zu hinterfragen, warum ständig Sozialwohnungen aus der Sozialbindung fallen, wieso es nicht mehr gemeinnützige Bauträger und kommunales Eigentum gibt, wieso finanzkräftige Investoren mit Profitinteressen immer noch den Ton in der Stadtentwicklung angeben können. In den Großstädten Berlin und Köln ist die Vertreibung der angestammten Mieterinnen und Mieter durch Profitgier ein Riesenproblem und Mieten von 20 € pro qm unbezahlbar. 9 von 10 Millionären verdanken ihren Reichtum dem Immobilienbesitz. Anders als im Musterbeispiel Wien mit 220.000 kommunalen Wohnungen zu leistbaren Mieten stiegen in 7 deutschen Großstädten die Mieten in den letzten 20 Jahren um 230 % an. Die Metropole Wien vergibt die Wohnungen provisionsfrei und unbefristet an 1-Personenhaushalte mit einem Nettoeinkommen bis 57.600 Euro, bei 4 Personen im Haushalt bis 108.420 Euro Nettojahreseinkommen. Während in Deutschland hunderttausende kommunale Wohnungen an Konzerne verkauft wurden, konnte in Wien der Mietzins mit der gemeinwohlorientierten Politik unter 10 Euro pro qm für Gemeindewohnungen gehalten werden.

Beim Wohnungsbau den Artenschutz, respektive Eidechsen, gegen Obdachlose auszuspielen, ist perfide. Wir können entgegenstellen: Wegen Hotels, Büroräumen und Renditemaximierung bei Wohnungen soll kein Obdachloser auf der Straße bleiben.
Wenn Felder und Wiesen einmal mehr für neue Wohnquartiere und Einfamilienhaussiedlungen geräumt werden sollen, müssen Tiere der offenen Landschaft weichen. Das Problem ist aber, dass bereits große Flächen, insbesondere in Baden-Württemberg, vernutzt und zersiedelt sind. Es gibt also kaum Ausweichflächen und die Reviere in den verbleibenden Lebensräumen verdichten sich. Feldhamster und Feldlerche sind auf dem Rückzug. Werden landwirtschaftliche Flächen immer mehr für Siedlung und Verkehr weggeschoben, kommt es zudem zum Bewirtschaftungsdruck mit dem Ergebnis einer intensiveren Bewirtschaftung zum Nachteil von Feldfauna und -flora.
Der Artenschutz ist keine Lappalie oder Kleinigkeit, die gesellschaftlich-ökonomischen Zielen hintenangestellt werden kann, sondern eine internationale Verantwortung, der sich die Bundesrepublik verpflichtet hat. Warum sollten dann andere Länder auf Waldrodungen und Planierungen verzichten, wenn wir es nicht tun wo Siedlungen, Gewerbe und Industrie bereits gehörige Flächenanteile haben? Es geht nicht mehr nur um streng geschützte oder gefährdete Arten. Generell ist die Biodiversität und Quantität der Fauna in der EU zu erhalten und zu fördern. Wären nicht bereits so viele Flächen bebaut, versiegelt und von Straßen zerschnitten, bräuchte man auch nicht um Eidechsen den umstrittenen Aufwand betreiben. Die Flächeninanspruchnahme für Siedlung und Verkehr macht bereits mehr als ein Siebtel des Bundesgebiets aus, jeden Tag werden es rund 50 Hektar mehr.

Seit Mitte August diesen Jahres ist die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur (WVO) in Kraft. Die Natur und Artenvielfalt in den Ökosystemen soll sich erholen. Prägende Ökosysteme in Deutschland sind Kulturlandschaften, in denen sich über Jahrhunderte Arten der Feldflur, Wiesen und Streuobstwiesen eingestellt haben und in Koexistenz mit dem Menschen leben konnten. So heißt es in der WVO
In landwirtschaftlichen Ökosystemen muss die biologische Vielfalt wieder zunehmen, insbesondere ist eine Trendumkehr bei Feldvögeln gefordert. Weitere Zielsetzungen beziehen sich auf Schmetterlinge, Landschaftselemente mit großer Vielfalt oder den Bestand an organischem Kohlenstoff in mineralischen Ackerböden.
Für den urbanen Bereich gilt:
Städtische Ökosysteme dürfen auf nationaler Ebene bis 2030 keinen Nettoverlust an städtischer Grünfläche und Baumüberschirmung erleiden und sollen danach weiter wachsen.
Neue Baugebiete hintertreiben diese Ziele. Intakte Ökosysteme dienen aber auch unserem Wohlstand, Wohlbefinden, Grundwasserneubildung, Ernährungssicherheit mit lebendigen fruchtbaren Böden, Starkregenvorsorge, Kältesenken und Klimaschutz.

Einige der Rezepte von Herrn Hoepfner wie die Überbauung von Parkplätzen und Aufstockung sind längst in Handlungskatalogen zur Innenentwicklung aufgenommen und daher nichts Neues. Auch gibt es im Bauplanungsrecht seit 2017 das urbane Gebiet, welches Wohnungen auch in überwiegend gewerblich genutzten Gebieten zulässt.

Das Baugesetzbuch verpflichtet die Kommunen als Träger der Bauleitplanung zum sparsamen und schonenden Umgang mit Grund und Boden und zur Begrenzung der Bodenversiegelung auf das notwendige Maß. Nach dem Bundesnaturschutzgesetz sind daher Eingriffe in Natur und Landschaft soweit wie möglich zu vermeiden.
Daher ist eine Umkehr weg vom Neubau hin zur Bestandserneuerung wichtig. Es kann nicht sein, dass wegen Spekulation Wohnungen nicht neu besetzt werden und nach und nach ganze Häuser dem Zerfall Preis gegeben werden, wie das der Film „Sold City“ von 2024 dokumentiert. In Karlsruhe braucht es Leerstandskataster und die Einführung einer Zweckentfremdungsverbotssatzung, welche zum Beispiel in Baden-Württemberg auf Grund eines Landesgesetzes möglich ist. Auch hilft die Ausweisung von Sanierungsgebieten zur Innenentwicklung vor Außenentwicklung mit immer neuen Baugebieten. Wohnungen, wie sie im ehemaligen Ragoldsgebäude entstanden sind, sind gute Beispiele zur Wiedernutzung von Gewerbe- und Büroflächen. Der Wohnraumbedarf pro Person wird nicht unbedingt größer, sondern viele Singles leben in großen Wohnungen, wo sie zuvor mit Familie oder Partner zusammen lebten. Da können Anreize zum Wohnungstausch gegen kleinere und günstigere Wohnungen geschaffen werden.